9.4 GÄNGEVIERTEL

200 junge Künstler besetzen seit August ein leerstehendes und vom Abriss be- drohtes Gebäudeensemble in bester Hamburger Citylage, das von der Finanz- behörde im Höchstbieter-Verfahren an einen Investor vergeben wurde.
Seit Ende August weisen also nun Pfeile auf dem Boden in der Caffamacherreihe und dem Valentinskamp den Weg zu Hamburgs erster Freiluftgalerie in den Hö- fen des Gängeviertels. Jetzt pulsiert hier das Leben: Eine Bar wurde aufgebaut, es gibt Infostände, ein Klaviertrio hält eine öffentliche Probe ab.
Im engen Hofeingang drängen sich die Besucher, sie wollen sich die Kunst an- schauen, die die zumeist jungen Künstler quasi über Nacht in den leer stehen- den Wohnungen und Fabriketagen emsig installiert haben – die meisten von ihnen haben sonst kaum Gelegenheit, ihre Arbeiten auszustellen.

Selbst an der Zugangsrampe zur Kunsthalle prangt am Geländer das kreisrunde, quietschrote Logo der Initiative „Komm in die Gänge“.
Auch in der Admiralitätsstraße kann man das Signet an Galerien und Buchläden ausmachen. Die Unterstützer der Aktion sind weit gestreut, Sympathien erhält sie auch aus weiten Teilen der Bevölkerung. Die Forderung der Künstler, leer- stehende Räume in bezahlbare Ateliers umzuwandeln und sich gleichzeitig für den Erhalt eines der letzten Stückchen alten Hamburgs einzusetzen, findet brei- ten Anklang.
Die Kritik der Besetzer richtet sich in erster Linie gegen Hamburgs Kulturpol- tik, die sich zu wenig für ihre Künstler einsetze, sich aber andererseits als krea- tive Metropole darstellen wolle. Gerade junge Künstler, die noch keine Karriere hätten, benötigen Raum für Experimente.
„Nur wenn es diese Räume gibt, kann es eine Kunst geben“, äußerte sich Daniel —
äußerte sich Daniel Richter, einer der bekanntesten Vertreter der neuen deut- schen Malerei und einer der Schirmherren der Aktion.
Die Stadt hat nun die Besetzung geduldet und die Künstler dürfen vorerst ihre mittlerweile installierten Ateliers weiternutzen und das Ensemble mit vielfältigs- ten Ausstellungen und Veranstaltungen bespielen. Bis Ende des Jahres wird sich entscheiden, ob sich der Investor aus dem Gängeviertel zurückzieht.
Hoffen wir, dass das bunte Treiben noch ein ganzes Weilchen an- und den Win- ter aushält… Sebastian Dürr
www.das-gaengeviertel.info