Wer kennt sie nicht- diese gezwungen lockeren Kennenlerngespräche, um die peinliche Stille möglichst zu vermeiden. So lässt auch die obligatorische Frage nach Studium oder Beruf nicht lange auf sich warten und verspricht auf jeden Fall die nächsten 10 Minuten zu füllen.
Ich studiere Innenarchitektur. Einem langgezogenden „A“ folgt Zuspruch und Bewunderung. Ja, so was kenne man schließlich aus dem Fernsehen. Sicher würde auch ich Wände anmalen und so eine schöne Falte in das Kissen machen. Hier und da noch eine Kerze und eine Dekokugel und schon hat man den Raum vollkommen verändert.
Stille meinerseits. Wie kann ich meinem Gegenüber klarmachen, dass ich nicht Kultur- und Kommunikationswissenschaften studiert habe und nur vorgebe in der Raumgestaltung beruflich aktiv zu sein, während ich -mit Verlaub- in manchmal fragwürdigen Kostümen über den Bildschirm diverser Privatsender husche. Auch sehe ich mich nicht wirklich als dermaßen hochtalentiert, sodass die phantastischsten Ideen für genau diese Räumlichkeiten innerhalb von Sekundenbruchteilen aus mir heraussprudeln und die Bauarbeiter hinter der Tür umgehend und ohne weitere Planung loslegen diese umzusetzen. Es kommt wahrscheinlich höchst selten vor, dass die Klienten dann noch in den Urlaub geschickt werden und zum gebührendenAbschlussumarmtwerden,währenddiese indergesamtenBauphasenichteinmalmitredetenundnunmit glasigen Augen in Ihrem neuen Wohnzimmer stehen.
Nein ich wurde womöglich missverstanden. Ich studiere Innenarchitektur!
Das, was diese blonde, lächelnde Dame da tut, hat gewiss einen guten Hintergedanken, nur in meinen Augen leider kaum etwas mit der Realität zu tun- egal, Hauptsache die Quote stimmt und dieVerfälschung eines Berufsbildes gleich mit.
Dass die Wirklichkeit immer hinter den Kulissen stattfindet und ein Team aus Innenarchitekten und diversen Gewerken wochen-, wenn nicht sogar monatelang geplant und organisiert haben, kommt in der einen Stunde Sendezeit nicht wirklich rüber.
Wie bitte soll man einem Klienten klar machen, dass der Umbau der 120 m2 großen Wohnung nicht innerhalb einer Woche realisierbar ist, wenn es doch das Team aus dem Fernseher hinbekommt!?
Traurig ist schon,dass dieseVorurteile schon im familiären Umfeld während des Studiums auftreten.Stolz präsentierte 1:20 Modelle des Entwurfs werden von den Eltern müde mit dem Kommentar belächelt: „Ach schön. Das ist ja wie Basteln für Fortgeschrittene“.
Die Tatsache, dass man für den schönen Knick im Kissen nicht 5 Jahre (Regelstudienzeit Bachelor & Master) studieren muss und die Hochschule keinen Kurs für fortgeschrittene Bastler anbietet, sollte eigentlich jedem einleuchten.
Doch nicht nur die Innenarchitektur hat mit diesen Vorurteilen zu kämpfen. Es bleibt zu bezweifeln, dass es in Deutschland Krankenhäusern so zugeht, wie bei der Schwarzwaldklinik oder den Anfängern von dem TV- Format „Scrubs“. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen Angst vor einer OP haben.
Wenn Sie also in Zukunft einen (angehenden) Innenarchitekten treffen, grüßen Sie ihn bitte von mir und vermeiden Sie bitte Vergleiche zur TV-Branche